Donnerstag, 30. August 2012

Hochzeit 1943 in der Kirche zu Lyck

Gertrud Bylda und Max Sczech am 26.12.1943


Kirche zu Lyck 2012

Hochzeitsfeier auf dem Bauernhof Bylda

Mittwoch, 29. August 2012

Um die Jugend betrogenen

Tausende Namen
Heute werden immer noch tote deutsche Soldaten in der Gegend gefunden und hier bestattet



Alle Tafeln sind beidseitig voll eingraviert



Auf dem Soldatenfriedhof Bartosze bei Elk (Lyck) liegen tausende junge Opfer des Wahnsinns. In etwa 50 km Entfernung Hitlers Führungsbunker in Ostpreußen, die "Wolfsschanze". Stauffenberg scheiterte hier leider am 20. Juli 1944 mit seinem Attentat auf den Verbrecher. 



Rätsel um den Bauernhof Bylda


Ich gehe langsam, die polnischen vorbereiteten Sätze wiederholend, in die Hofeinfahrt zum ehemaligen Bauernhof Bylda. Dort werde ich sehr freundlich aber fragend von Frau der Frau des Landwirtes Roman Urbanowicz begrüßt. Mein polnischer Wortschatz hat sich sofort in Luft aufgelöst. Ich kann noch „Dzien dobry“ für „Guten Tag“ stammeln, dann muss ich den Spickzettel herausholen und versuche meinen Text vorzulesen. Der fragende Blick signalisiert mir leider nur Teilerfolge. Immerhin, ich werde als ein Abkömmling der „Byldas“ erkannt. Fotos der bisherigen „Bylda / Sczech“ Besucher werden herausgeholt: Onkel Franz, Onkel Ernst, Tante Hedwig, Onkel Adolf, meine Geschwister Martin und Siegfried mit Ehefrau Rosemarie.  Mit meinem begrenzten Vokabular kommt leider kein Gespräch zustande. Immerhin verstehe ich, die Tochter des Hauses hat auch schon auf dem Masurenhof gearbeitet. Leider ist sie abwesend. Auf meine Bitte im Hof einige Fotos machen zu dürfen wird die hintere Hofeinwart Richtung Lyck-See geöffnet, damit ich auch die schöne Aussicht mitbekomme.
Meine Mutter hat auf diesem Hof mit den Geschwistern Hanna, Hedwig, Georg, Olga, Franz, den Eltern und vielleicht sogar den Großeltern gelebt. Ich mag es nicht glauben – in diesem klitzekleinen Haus?
Früher Hof Bylda, jetzt Urbanowicz
Hinteransicht Richtung Elk

Abends auf dem Masurenhof schaue ich mir die Kopien der Bilder an, die ich bei der „Deutschen Minderheit“ aus dem alten „Heimatbuch des Kreises Lyck“ angefertigt habe. Ein Bildervergleich macht klar: Das Wohnhaus existiert nicht mehr. Es war wohl so zerstört, dass es abgerissen wurde.
Dieses Foto vom "Hof Bylda 1939" finde ich in einem Buch bei der "Deutschen Minderheit"
2012: Wohnhaus Urbanowicz auf ehemaligem Hof Bylda
2004: Wohnhaus Urbanowicz Rückseite (Foto von Siggi)

1980 Hof Urbanowicz auf ehemaligem Hof Bylda (Foto vermutlich von Franz Bylda)

Siehe auch Fotos vom Besuch Onkel Franz in Masuren

Oder: 2004 Ernst, Siggi, Rosemarie in Szarejki
1980 Hof Urbanowicz auf ehemaligem Hof Bylda (Foto vermutlich von Franz Bylda)
 
Der höchste Hügel nahe dem Masurenhof ist etwa einen Kilometer von den ehemaligen Höfen von Papa Sczech und Mama Bylda entfernt.

Nach Westen der Lycker See und nach Süden eine tolle Fernsicht über die sanfte Hügellandschaft. Dieser Ort strahlt Ruhe, Harmonie und Zufriedenheit aus. Hier liege ich einige Stunden faul im Gras und genieße die Natur.
Diese Karte finde ich im Gästebuch des Masurenhofes.

In dem „Heimatbuch des Kreises Lyck“ finde ich auch einige Sätze zu meiner Familie. Oma, Frieda Gorski, mit drei Töchtern (Martha,  Gertrud, ?) sowie die beiden Onkel Ernst und Reinhold. Sie haben die Flucht nicht mehr geschafft. Die Frauen sind verschollen, Onkel Ernst lebt jetzt in Köln und Onkel Reinhold in Leverkusen. Sie kamen 1955 von Polen in den Hunsrück.


"Deutsche Minderheit" am Wasserturm

Nach einer kleinen Pause habe ich wieder Internet in einem Cafe. Das Internetkabel zum Masurenhof wurde beschädigt. Ansonsten habe ich Dank der schlechten Polnischkenntnisse eine völlig neue Frisur.

Gestern, mitten im Wald bei einem Fotostopp werde ich wegen dem Mainzer Nummernschild von drei Deutschen angesprochen. Wir tauschen Erfahrungen aus und sie empfehlen mir den Wasserturm von Lyck, dem Sitz der "Deutschen Minderheit". Dort befindet sich auch ein "Ostpreussen-Museum". Es werde gerade ein deutscher Reisebus erwartet. Sie übernachten dort für 10€ die Nacht.

Am Wasserturm werde ich freundlich mit dem ostpreußischen Nationalgetränk "Bärenfang" begrüßt. Die deutsche Reisegruppe ist schon in bester Stimmung und es werden alle Lieder gesungen.

Die deutschen Vereinsmitglieder treffen sich hier jeden Tag um 10 Uhr. Es sei immer was los. Zahlreiche Bücher über die Forschungen zur Vergangenheit liegen aus. So finde ich auch einen historischen Plan von Sareiken, dem Dorf meiner Eltern.



... singen mit voller Leidenschaft das Ostpreußenlied.



Montag, 27. August 2012

Schön

Ich weiß nicht wo ich anfangen soll. In den letzten beiden Tagen habe ich soviele Geschichten erzählt bekommen, bin von sovielen Schicksalen betroffen und habe soviel Freundlichkeit erlebt, einfach mal einige Bilder ....










Zugegeben, ich hätte auch die immer mehr am Wegesrand auftauchenden modernen Häuser im Weber-Fertigbau-Stil, breite Schnellstraßen oder Traktoren fotografieren können …



Warschau - Masuren


Die Fahrt von Warschau zum Masurenhof bei Elk/Szarejki dauerte etwa 3 Stunden und verlief völlig stressfrei. Auf dem Masurenhof werde ich von der Marta, ihren Eltern, zahlreichen Kindern, zwei drolligen Hunden, Hühnergegagger und einem deutschen Ehepaar begrüßt. Hier fühle ich mich schnell wohl. Die beiden deutschen Gäste kommen schon seit sieben Jahren regelmäßig auf den Masurenhof und können mir viele Geschichten über Land und Leute erzählen.

Masurenhof
Vorbereitung für den großen Grillabend an Martas selbstgebautem Multizweck Ofen: Grill, Räucherkammer, Backofen und Herd.


Marta hat für die Kinder Brotteig gemacht, der am Stock gegrillt wird, "Brot am Stock". Ich genieße derweil neben allem gegrillten den sensationell leckeren Kartoffelkuchen-Auflauf mit Einlagen.



Samstag, 25. August 2012

Deutschenangst

Abends beim Muchito werde ich dann doch mit der Angst vor den Deutschen konfrontiert. "Deutsche Firmen machen polnische Arbeitsplätze kaputt". Die Werften, die Kabelindustrie, die Supermärkte ... aller Reichtum geht nach Deutschland, für die Polen bleiben nur Almosen, ein miserables Gesundheitssystem und Billiglöhne. Jeder kennt jemanden, der keinen Job findet. "Wovon sollen wir im Alter leben?" "Die Renten reichen hinten und vorne nicht." "Die polnische Regierung ist korrupt." "Wir können kaum noch polnische Waren kaufen." "Kommen die Deutschen nicht doch wieder?"

Dieselben Leute feiern die Freiheit des Ronald Reagan Kapitalismus. Das Gespräch ist ausgesprochen schwierig.

Wunderschöne, große Parks in zentrumsnähe der Warschauer Wolkenkratzer

Freitag, 24. August 2012

Erstaunlicher Verfall

Einige Häuser in bester Lage der Warschauer Innenstadt haben den Krieg überlebt und drohen zu verfallen.
Wohnraum ist knapp und teuer. Auf meine Frage, warum diese Häuser nicht restauriert werden, bekomme ich eine erstaunliche Antwort: "Die Eigentumsfrage konnte bisher nicht geklärt werden."

Meine erste Unterkunft: einer der seltenen, renovierten Altbauten, Luxusappartement, 45 qm, 40€ / Nacht, Autostellplatz nur an Parkuhren
Danach Plattenbauerfahrung: Zimmer in einfachster Ausstattung, 12 qm, 20€/Nacht, Autostellplatz kostenlos an der vielbefahrenen Schnellstraße


SALE! Handtaschen, Kleider, Hüte, T-Shirts, Hosen, Röcke, Gürtel .... im Kilogrammpreis und riesiger Auswahl. Männerklammotten besonders günstig: 29 zl sind etwa 8 €
Witz der Warschauer zu dem von Stalin geschenkten Kulturpalast im realsozialistischen Zuckerbäckerstil: "Von dort oben hat man die beste Aussicht in Warschau, denn da sieht man ihn nicht."
"Zuerst wollten wir ihn abreißen, jetz bauen wir ihn mit Hochhäusern zu."



Abends sind die Windschutzscheiben in der Innenstadt gespickt mit Angeboten aus dem horizontalen Gewerbe.




Idylle und Barbarei

Im Museum des Warschauer Widerstandes gibt es eine Filmvorführung: Flug über die Trümmerwüste des zerstörten Warschau 1945 in Farbe und 3D. Unglaublich. Von den 1,3 Millionen Einwohnern gab es nach der Niederschlagung des Aufstandes im Warschauer Ghetto noch 900.000, nach Niederschlagung des Warschauer Widerstandes 1.000 Menschen die verstreut in den Ruinen umherirrten. 
Deutsche Bekanntmachungen

Pause in einem kleinen Café innerhalb des Museums. Ich bekomme Kaffee in einer alten Goldrandtasse, Apfelkuchen, frische gepflückte Himbeeren und lausche alter, wehmütiger polnischer Grammophonmusik. Nicht zu fassen, wie freundlich alle zu mir sind, obwohl sie es spätestens nach der Bestellung wussten: Ein Deutscher!
Einrichtung im Stil der Vorkriegszeit, einen harten Kontrast bilden große Portraits von Ermordeten und Szenen vom Warschauer Alltagsleben  während des Aufstandes

In dieser Stadt lebten hunderttausende Kinder
Ansonsten ist das Museum auch eine riesige Waffensammlung. An den Schränken mit diversen Pistolen, Gewehren, Panzerfäusten, selbstgebauten Granaten etc. gehe ich schnell vorbei.

Donnerstag, 23. August 2012

Wir Polen sind ja bei euch

Vormittags kommt Ania um die Wohnungsschlüssel abzuholen. Wir plaudern etwas. Als ich ihr sage wie schwer es für mich ist die Warschauer Geschichte zu ertragen, antwortet sie: "Ich weiß, aber du kannst ja nichts dafür. Denke daran, wir Polen sind bei euch, das soll es dir leichter machen."
In Anias Familie gab es viele Tote und fürchterliche Schicksale. Als dann die russische Stalinarmee Warschau "befreit" hatte, wurden viele Polen direkt nach Sibirien verbannt. Anias  Oma hat ihre drei kleinen Kinder aus dem fahrenden Verbannungszug geworfen und ist hinterhergesprungen. Sie hat sich mit den Kindern durch die Front in das deutsch besetzte Gebiet durchschlagen und überlebt.

Abendessen in einer Bar mleczny (deutsch: Milchbar), kantinenähnlichen Selbstbedienungslokale mit sehr preiswertem Angebot aus der traditionellen polnischen Küche. Meine herzhaft-frische Yoghurt/Rote Rüben Suppe sowie Schnitzel mit Kartoffelsalat & Gemüse für unter 4€. Früher gab es diese Milchbars an jeder Ecke, Blütezeit im Sozialismus (vegetarisch kein  Alkohol). Jetzt sind sie kaum noch zwischen den vielen internationalen Gastronomieangeboten zu finden.




Am Abend werde ich zur Besichtigung des Dachgartens der neuen Warschauer Universitätsbibliothek eingeladen. Die schöne Atmosphäre inspiriert ein Hochzeitspaar.
  

Neben dieser Bibliothek versuchen sich ein Informatiker und sein Freund mit einem neu eröffneten Café. Am Wochenende hatten sie erstmalig Brunch-Frühstück zum Pauschalpreis angeboten und waren noch ganz geknickt. Zwei Pärchen war früh morgens gekommen - lange geblieben. Sie hatten soviel gefressen (alleine 20 gefüllte Croissants in einer Stunde!), alle frisch gepressten Säfte schnell weggesoffen. und so den Brunch zu einem fetten Minusgeschäft gemacht.







Dienstag, 21. August 2012

Erschüttert auf den Spuren von Willy Brandt

Heute auf den Spuren des Aufstandes der Juden im Warschauer Ghetto und der Warschauer Widerstandskämpfer gegen die deutschen Nazis. Es sind nicht so sehr die Denkmäler, sondern die Bilder im Kopf nach Lektüre diverser Berichte, die mir weiche Kniee machen.

Eine Mädchenklasse am Ehrenmal der Helden des Ghettos. Einige haben Gedichte vorbereitet, fünf Mädels tragen ein Lied vor und andere haben einen großen Judenstern mit Familienfotos gebastelt. Der Kontrast diese lebensfrohe Jugend an der Gedenkstätte des absoluten Grauens zu sehen geht mir unter die Haut.










Auf der Rückseite diskutiert eine Gruppe vor dem Bild des Marsches in die Vernichtungslager.
Das Museum zur Gedenkstätte ist eine große Baustelle.


In kurzer Entfernung, unscheinbar auf einer Wiese, der Willy Brandt Platz.
Danke Willy, du hast mir sehr geholfen.


Denkmal des Warschauer Aufstandes 1944


Befehl von Heinrich Himmler zum Aufstand der Warschauer Widerstandskämpfer: Alle Polen in Warschau, ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht, sind zu erschießen. "Warschau ist dem Erdboden gleichzumachen, um Europa zu zeigen, was es bedeutet, einen Aufstand gegen die Deutschen zu unternehmen."














Montag, 20. August 2012

Wroclaw - Warsaw

Sonntag um Mitternacht komme ich aus einer "Georgischen Spezialitätengaststätte" zu meiner Wohnung. An meinem Auto und an denen daneben beunruhigend große Zettel. Was ich verstehe ist nur "6:oo - 20:00 Uhr" und "Montag 20. August 2012". Auch an der Haustür dieser Zettel. Ich wollte eigentlich richtig ausschlafen. Unruhig werde ich morgens um 6:20 wach, schaue aus dem Fenster und da ist auch schon mein Auto abgesperrt. Nun ist nichts mit gemütlich. Schnellreinigung, Kofferpacken und los. Ich bekomme von einem mürrischen Mann auf mein fröhliches "cześć" (polnisch hallo, gesprochen tschäschtsch) die Absperrung geöffnet und los geht es ohne Frühstück. 


An der ersten schönen Stelle will ich Rast machen. Rast mache ich, aber eine schöne Stelle finde ich auf der Strecke nirgends. Die 330 km habe ich so in Erinnerung: etwa 100 km Baustellen auf dem Wege zur Vierspurigkeit, davon 20 km fertig, der Rest Landstraße mit tiefen Spurrillen.Dann die schwüle Luft hinter den vielen LKWs,  habe das völlig unterschätzt und bin in Warschau fix und fertig.
Typisch trostlos, immerhin stehen auf der Strecke bestimmt hunderttausende in Arbeit und Lohn.
Kurz vor Warschau wird die Straße großzügig und schon tauchen Ikea, Saturn und die üblichen Verdächtigen auf.
Supermodern und  hoch, der erste Eindruck vom Zentrum.


Am Warschauer Kulturpalast sind die Wassernixen immer noch im Fussballfieber, obwohl Blaszczykowski, Polanski  & Co. bei der  Europameisterschaft nicht gerade geglänzt hatten.


Politisch unterstütze ich das "Autos raus aus der Stadt" Konzept. Praktisch nun vor meiner Warschauer Wohnung und soweit das Auge reicht ausschließlich Parkuhren Parkplätze. Mal sehen wo ich den guten Kangoo morgen lasse. Heute ist mir alles egal, 4 Zloty habe ich mal reingefeuert.